An dieser Stelle möchte ich Betz zitieren:
"Einer der häufigsten Gedanken bei uns im Westen - das bekannteste westliche Mantra - heißt: "Ich habe keine Zeit!" Wir sprechen diesen Gedanken gedankenlos aus, ohne dass uns bewusst ist, was wir damit in unserem Leben anrichten. Denn der Gedanke "Ich habe keine Zeit" erschafft und verstärkt mein Gefühl, keine Zeit zu haben, mich noch mehr hetzen zu müssen. Er sorgt dafür, dass wir außer Atem geraten. Dieser Gedanke ist - wie jeder Gedanke - schöpferisch und wirkt wie ein Befehl. Du erschaffst dir hierdurch ein Gefühl der Zeitknappheit, des Mangels.Ja warum empfinden wir 24 Stunden manchmal wie acht und manchmal wie 48? Im Urlaub zum Beispiel kann ein verlängertes Wochenende zur Urlaubswoche werden (siehe dazu auch meinen Beitrag Auszeit). Betz sagt, "weil Zeit davon abhängt, wie ich in ihr lebe". Wir sind bewusster in der Zeit, das erlebte Zeitgefühl wird bewusst, achtsam und wertvoll. Kinder sind perfekt darin, die Zeit zu vergessen. Sie befinden sich im Jetzt und vergessen Vergangenheit und Zukunft und erleben den Augenblick in seiner ganzen Form.
Es ist eines der vielen verrückten Spiele, das wir in unserem Leben spielen, solange wie wir es spielen wollen. Mach dir auch hier bewusst, dass du wählen kannst. Wenn alle Welt dir einredet, dass du keine Zeit hast, dann glaubst du wirklich mit der Zeit daran. Aber dies kommt daher, weil du nicht darüber nachdenkst und fast alles mitmachst, was die anderen machen. Du bist ein Mitläufer. Du läufst mit der Masse der Gehetzten. Noch tust du es. Weißt du eigentlich, warum du so schnell läufst? Was ist das Ziel deines schnellen Lebens? Warum hast du es denn so eilig, so schnell zu deinem Ende zu kommen?" (Robert Betz)
„Aber
wir wissen nicht, wohin wir laufen. Hauptsache, wir laufen. Die Schnelligkeit,
das Hasten, die Atemlosigkeit haben sich verselbständigt. Wir kommen nicht mehr
zu Ruhe. Spüre einfach einmal, wie schnell oder langsam du dieses Buch gerade
liest (in diesem Fall diesen Beitrag). Kennst du den Gedanken:
"Hoffentlich habe ich das Buch bald durch!", weil noch so viele
andere Bücher warten?
Mach
dir klar, dass du dich irgendwann entschieden hast mitzulaufen, und dich
dadurch in die Rastlosigkeit, in die Unruhe hineinmanövriert hast. Du selbst
warst es, darum kannst du es selbst auch wieder ändern. Auch wenn Millionen
rasen, brauchst du nicht mitzurasen. Gib deinem Leben dein eigenes Tempo oder
deine eigene Langsamkeit. Werde langsamer! Entscheide dich für Langsamkeit!
Entscheide neu! Wie das geht? Am Anfang steht wie immer ein neuer Gedanke.
Dieser Gedanke heißt: "Ich habe Zeit! Es gibt genug Zeit für mich! Ich
kann nichts wirklich Wichtiges versäumen. Ich habe alle Zeit der Welt!"
Auch wenn dein Kopf diesem merkwürdigen neuen Gedanken noch misstraut, sprich
ihn mit geschlossenen Augen laut aus, registriere all deine inneren Reaktionen:
Gefühle, Körperempfindungen und Gedanken. Lass all das da sein, es ist sehr
interessant zu beobachten.
Wenn du aus diesem alten Schuh, aus diesem Massenspiel "Keine Zeit!" aussteigen willst, dann triff eine neue Entscheidung! Mach dir bewusst, dass du hier eine wirkliche Grundsatzentscheidung für dein Leben treffen willst, dass du deinen eigenen Weg gehen willst, dass du dir in Liebe wieder Zeit schenken willst. Es ist genug Zeit für dich da. Es ist von allem genug da! Und wenn du so weit bist, dann sage dir selbst in einem feierlichen Moment, vielleicht im Rahmen eines kleinen Rituals:
"Heute entscheide ich neu. Heute
entscheide ich mich, neu zu denken über die Zeit, die ich habe. Es ist genug
Zeit da. Ich nehme mir ab heute Zeit für das Wichtigste, für mich selbst. Ich
will mich von heute an nicht mehr abhetzen. Ich will jeden Augenblick dieses
Lebens genießen, ihn bewusst leben. Ich entscheide mich für Langsamkeit, für
Bewusstheit. Ich sage ab heute Nein zu dem alten Spiel von Hast und
Rastlosigkeit. Und wenn ich wieder in Stress gerate, dann will ich mich sofort
an diese meine Entscheidung erinnern."
Werde immer aufmerksamer für die Momente, in denen du wieder außer Atem gerätst, in denen du in Stress kommst und dich beeilst. Jedes Mal, wenn dir das passiert, halte an - wenn du mit dem Auto fährst, suche die nächste Parkmöglichkeit -, schließe die Augen und beginne tief und sanft zu atmen und werde dir deines Zustandes bewusst. Spüre, wie du aus deiner Mitte gefallen bist, wie du nicht bei dir selbst bist. Und nimm wahr, wie dein Atem dich wieder in die Mitte bringt. Atme so lange, bis Ruhe in dir einkehrt, und du wieder einen klaren Gedanken fassen kannst, ohne innere Unruhe zu spüren. Jetzt kannst du dich neu entscheiden. Triff eine neue Entscheidung, die dich sofort von der Hetze befreit. Vielleicht entscheidest du dich, zu einem Termin bewusst zu spät zu kommen. Vielleicht entscheidest du dich, einen Termin abzusagen. Vielleicht entscheidest du dich, jemanden anzurufen und zu informieren, um dir damit Zeit zu verschaffen. Vielleicht entscheidest du dich, bestimmte Dinge aus deinem umfangreichen Programm zu streichen, weniger ist oft mehr. Entscheide neu! Lass nie mehr den Gedanken zu: "Ich habe keine Wahl. Ich muss." Denn das ist nicht die Wahrheit. Es gibt immer mehrere Wahlmöglichkeiten, nur wollen wir sie meist nicht sehen und sehen sie daher auch nicht. Wähle neu! Wähle Zeit zu haben. Wähle eine neue Gangart durch das Leben.
Vielleicht magst du dich inspirieren lassen von dem wunderschönen Roman Die Entdeckung der Langsamkeit von Sten Nadolny. Habe den Mut zur Langsamkeit, zur Bewusstheit und du wirst ein Wunder erleben. Du wirst erleben, dass du schneller wirst, dass du mehr erlebst, dass du bewusster wirst.
Das
Gefühl von Mangel an Zeit beruht, wie alle Mangelgefühle, auf Angst. Du hast
Angst, du könntest etwas versäumen. Dies versucht dir dein Kopf einzureden,
aber das Gegenteil ist wahr. Du kannst nichts versäumen. Und wenn du langsamer
wirst und bewusster, wenn du viele Pausen einlegst und tief durchatmest, wird
das Gegenteil eintreten: Dein Leben wird voller, erfüllter und länger.
Wer
an eine feste Zeit glaubt, wer glaubt, Zeit sei eine unverrückbare Maßeinheit,
der irrt sich gewaltig. Für den einen sind 24 Stunden wie 8 Stunden, für den
anderen wie 48, für einen Dritten wie 72 Stunden. Warum? Weil Zeit davon
abhängt, wie ich in ihr lebe."
In
meinen Urlaubsseminaren auf Lesbos empfinden die meisten Teilnehmer eine Woche
wie drei oder vier Wochen. Warum? Weil sie bewusster in dieser Zeit sind. Weil
sie die einfachen Dinge, beispielsweise das Gehen, das Schauen, die Begegnungen
oder das Zuhören, weit bewusster tun als in ihrem Alltag. Mein erlebtes
Zeitgefühl hängt nicht vom Uhrzeiger ab, sondern davon, wie bewusst, wie
achtsam, wie wach ich bei dem bin, was ich gerade tue. Und das, was im Urlaub
möglich ist, ist auch im Alltag möglich. Es ist eine Frage deiner Entscheidung,
es auszuprobieren und einzuüben.
Ich
muss oft schmunzeln, wenn ich von den umfangreichen und teuren Versuchen der
Wissenschaft, besonders der Medizin, höre, das menschliche Leben zu verlängern.
Ich empfinde das als einen schlechten Witz. Jeder Mensch kann sein Leben nach
Belieben verlängern und mehr als genug Zeit gewinnen. Wie? Idem ich beginne,
alle Dinge, besonders die einfachen, bewusster zu tun und wirklich bei dem zu
sein, was ich tue. Auf diese Weis macht man aus einem siebzigjährigen Leben
locker zweihundert Lebensjahre. Zeit existiert objektiv nicht, sie ist extrem
flexibel.
Wenn
du dich beeilst, wenn du in Stress gerätst, bist du nicht bei dir selbst. Du
hast dich verloren. Kehre zurück zu dir, werde langsam, werde dir deiner
bewusst. Und du erhältst alle Zeit der Welt. Wer nicht bei sich selbst ist,
verpasst die Zeit, vertut sie nutzlos. Wer in Achtsamkeit und bewusst atmend
bei sich selbst ist, der hat immer genug Zeit. Unsere Zeit in diesem Körper ist
viel zu kostbar, als sie auf unbewusste Weise zu leben.“
(Robert
Betz aus „Raus aus den alten Schuhen“)